Stell dir vor:

Du hast gerade die dreisteste und irrste Free Solo-Begehung in der Geschichte des Kletterns hingelegt und den 900 m hohen El Cap ohne Seil bezwungen. Und nun tobt der Medienrummel. Du kannst dich vor Interviewanfragen von namhaften Magazinen wie NPR, Nat Geo und der NY Times zwar kaum retten, aber du hast dich klar ausgedrückt. Für eine Stunde an diesem Nachmittag hast du etwas Wichtigeres zu erledigen und wirst nicht zur Verfügung stehen.

Nein, du triffst dich nicht mit dem Präsidenten der USA und du hast auch keinen Filmtermin mit Jared Leto. Für diesen Auftrag bist du wieder solo unterwegs.
Denn du hast ein sexy Date mit deinem Hangboard.

Ob du es glaubst oder nicht, so hat Black Diamond-Athlet Alex Honnold seine seilfreie Begehung der legendären Route Freerider (VI 5.13a; dies entspricht einer französischen 8a, wobei VI für „Bigwall“ steht) am El Cap gefeiert. Bei einem späteren Interview mit Nat Geo erklärte Honnold nüchtern:

„Ich will jeden zweiten Tag am Hangboard trainieren, und es war einfach der zweite Tag.“

Aber diese Aussage birgt den Schlüssel zu Honnolds Erfolg. Einer der ungeniertesten Kletterer der Welt verlässt sich nicht allein auf sein offensichtlich grosses Talent. Er trainiert mit beachtlicher Disziplin, um sein Können zu perfektionieren.

Und was das Hangboarden angeht, geht er keine Kompromisse ein. Honnold macht aus dem Training an seinem Beastmaker 2000 Hangboard, welches am Türrahmen seines ausgebauten ProMaster befestigt ist, fast schon eine Religion.

Welchen Sinn macht es, an einem Hangboard zu trainieren, wenn man bereits an 22 von 25 Tagen (manchmal mit 70 Seillängen an zwei Tagen) an den wunderschönen Granitfelsen des Yosemite Valley klettert?

Alex Honnold

Bild: Will Saunders

„Ich zähle mich eigentlich zu den 8b-Kletterern.“, meinte Honnold am Telefon, als er sich auf dem Gipfel des El Cap ausruhte. „Aber in den letzten beiden Monaten bin ich maximal 7c+ geklettert. Alles was ich getan habe, war eine Seillänge nach der anderen an einem grossen, leicht geneigten Riss zu spulen.“ Das Hangboarden hat mir geholfen, nicht zu viel von meiner Fingerkraft zu verlieren, und ich fühle mich immer noch stark, wenn ich mich an den Griffen hochziehe.“

Text: Chris Parker

Waren die Hangboard-Workouts der Schlüssel zur Free Solo-Begehung der Freerider?

„Es war auf jeden Fall sehr wichtig.“, sagt Honnold.

„Anderenfalls hätte ich mich während meines Aufenthaltes hier im Valley immer schwächer gefühlt. Und die Schlüsselstelle mit dem Boulderproblem (etwa FB 7A+) besteht aus kleinen Griffen, an denen du dich hochziehen musst.“

Honnold erzählt, dass er während der zwei Monate umfassenden Vorbereitungszeit für den Durchstieg die Beastmaker App (derzeit nur in englischer Sprache verfügbar) verwendet hat. Diese App wurde von einem britischen Hangboard-Hersteller entworfen und beinhaltet so genannte Benchmark-Workouts, die Honnold für extrem schwierig hält.

„Es ist peinlich, wie schwach ich am Beastmaker bin.“, lacht er. „Vor zwei Monaten habe ich den 6C Workout nicht geschafft, obwohl das der leichteste von allen ist. Ich konnte es fast nicht glauben.“

Bevor er sich für seine epische Free Solo-Begehung zum Fusse des El Cap aufmachte, hatte er sich bis zum 7B Workout verbessert.

„Ich dachte mir – krass, ich kann jetzt eine Beastmaker 7A+ bewältigen!“

Laut Honnold sind die Workouts extrem anspruchsvoll und deutlich schwerer als die tatsächlichen Kletterrouten im jeweiligen Grad. Er trainiert ohne zusätzliches Gewicht.

„Das ist nicht nötig. Die Workouts sind auch ohne Gewicht viel zu schwer für mich.“, betont er.

Obwohl das Hangboard ein wichtiges Instrument in der Vorbereitung für seine bisher grösste Begehung war, ist er noch nicht fertig damit, daher auc der Workout nach dem Freerider.

Honnolds neues Ziel ist es, sich im Sportklettern weiter zu verbessern.

„Ich wollte schon immer 9a klettern, habe diesem Ziel aber noch nie genug Zeit und Energie gewidmet.“, sagt er. „Ich bin noch keine echte 8c+ geklettert, jedenfalls nicht in den letzten Jahren, und möchte nun schwerere Routen klettern.“

Und die strikte Hangbord-Routine ist Teil dieses Plans.

„Es ist merkwürdig, denn obwohl es nach heutigen Standards nichts Besonderes mehr ist, eine 9a zu klettern, werde ich ziemlich stolz auf mich sein, wenn ich das schaffe. Und sollte ich jemals eine Route in diesem Grad klettern, werde ich mir auf die Schulter klopfen und sagen – hey, ich bin echt gut.“

Unten siehst zu einen übersetzten Auszug aus den Hangboard-Workouts von Honnold (die App gibt es nur in englischer Sprache). Mach dich warm!

Alex's Beastmaker workout

Hier gibt es mehr Informationen zum Beastmaker hangboard und zum Download der App: https://www.beastmaker.co.uk

Alex's Beastmaker workout